text by Elisabeth Kleinwächter 2018 

 

Larissa Tomassetti Wenn man an das Werk von Larissa Tomassetti denkt, eröffnet sich einem ein ganzes Universum. Sie arbeitet nicht ein Thema, oder einen Werkkomplex nach dem anderen ab, sondern es laufen einige Serien über einen längeren Zeitraum parallel, die sich teilweise bedingen und austauschen. Gemein ist ihnen das philosophische Gerüst, basierend auf dem französischen Existenzialismus, das Grundlage jeder Arbeit ist. Die Frage nach dem Sein und ob es etwas Konstantes gibt, wird durch eine tägliche Zeichnung nachgespürt. (Seit den frühen 1990er, unmittelbar vor der Geburt ihres ersten Sohnes, tauchen embryonale Formen auf, die Entstehendes ebenso wie Vergehendes ausdrücken.) Der Rote Punkt, namensgebend für eine Reihe von Werkblöcken, wird zur fixen Konstante ihrer Hinterfragungen. Durch seine hohe Wandlungsfähigkeit, vom kleinen Detail bis zum Hauptthema, in verschiedenen Techniken, veränderbar in Kompaktheit und Farbigkeit, als kleiner Punkt oder als gewichtige Erdkugel, ist er ein starkes Symbol . Dieses kombiniert Larissa Tomassetti mit einer Farbe von großer Kraft und voller Gegensätze, die positive und negative Konnotierungen vereint. Rot ist dynamisch, kraftvoll, männlich und weiblich. Mit diesem roten Punkt möchte die Künstlerin die Realität filtern und fokussieren. Diese stellt sie keinesfalls narrativ da, sondern verfolgt stets die Frage der Existenz. Diese Frage sucht Larissa Tomassetti mit der am besten passenden Technik und Form auszudrücken. Manche Entstehungsprozesse nehmen dabei einen sehr komplexen Weg, wie bei den „RP fotogramms“, 1999. Dabei werden zuerst Holzschnitte mit kokonartigen Formen angefertigt, die anschließend auf eine Glasplatte gedruckt werden. Dieser Abdruck wird zu einem Fotogramm gefertigt, wobei die mögliche Unschärfe von der analogen Fotografie herrührt. Danach wird der rote Punkt „assembleartig“ beigefügt. 

Die analoge Fotografie hat ein Faszinosum für die Künstlerin auf Grund der Positiv/Negativ Implementierung. Aus dem Nichts, dem weißen Blatt, entsteht etwas. Bei zu langer Belichtung versinkt es wieder im Nichts, diesmal im Schwarz. Es gibt Serien zum weißen und zum schwarzen Nichts und dazwischen befindet sich die Existenz. Ab wann ist etwas? Wann ist etwas da und man bemerkt es nicht? Der Entwicklungsgrad der Fotoentwicklung veranschaulicht diese Überlegungen sehr gut. 

Im „RP diary“, seit den 1990ern, finden wir in verschiedenen grafischen Techniken ein spontanes Festhalten von Ideen mit dem roten Punkt. Der Punkt ist von Anfang an da, immer an derselben, etwas aus dem Zentrum gerückten Position, das Bild wird darum um den Punkt komponiert. Die weitere Komposition richtet sich danach. Es muss sich um den Punkt bemühen und Bezug nehmen. Diese Konstante im „RP diary“ springt wie ein Spielball auf und ab, ist jedoch der Rahmen, den sich die Künstlerin selbst steckt, um sich einzugrenzen und innerhalb dieser Grenzen ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. 

Dieser freie Lauf ist in ihren „RP Serien“ beachtlich ergiebig, und die Möglichkeiten dieses Themas überraschend. Dabei beschäftigt sich die Künstlerin immer mit Gegensätzen. So changiert sie zwischen Positiv und Negativ, zwischen Besetzen und Auslassen, zwischen Gegenständlichen und der Abstraktion in fließenden Übergängen, und zwischen Malerei und Grafik. 

Dieses Spiel zwischen Hell und Dunkel, Positiv und Negativ als Spiegelung finden wir zum Beispiel bei den Werken RP cocoon6“, 2015 und „RP cocoon“, 2016, wobei bei zweiteren das Thema malerisch und sehr räumlich aufgefasst wird. Mit ihren Arbeiten real in den Raum zu gehen kann sich Larissa Tomassetti durchaus für die Zukunft vorstellen, wobei konkrete Ansätze dies zu tun bereits vorhanden sind. 

So finden wir bei „RP circle“, 2016, eine zweiseitige Arbeit im Raum. Zwei konträre Seiten, eine geordnete, grafische helle Seite und als Pendant eine dunkle malerische Seite, verbunden durch das Element des Fadens. „RP bigPink“, 2017, hat durch ihre Präsentation Installationscharakter und „Where ist he RP“, 2018 entfernt sich ebenfalls von einer „flachen Illusion“ durch den aufgesetzten zweiten Kreis. Als dreidimensionale Form der roten Kugel finden wir eine sehr persönliche Arbeit der Künstlerin: „RP a/notte/fonda“, 2017, bei welcher sie ihre Spuren in Form der rotglänzenden Kugel denen ihrer Vorfahren in der ehemaligen Werkstatt ihres Vaters und Großvaters hinzufügt. 

Doch die beeindruckendste Raumentwicklung in Larissa Tomassettis „RP Serien“ findet sich in ihren Liveperformances („RP action“, 2015; „RP live“, 2016 und 2017). Gemäß ihren philosophischen Untersuchungen verwendete sie bei diesen Performances Hellgrau mit ruhiger Musikuntermalung, dann die Farbe Rot als dynamisches Element und als Abschluss die Farbe Schwarz symbolisch für das Werden, das Seien und das Vergehen. Bei dieser großflächigen Arbeit begibt sich die Künstlerin physisch und psychisch mitten in den Bildraum hinein, der zur Bühne ihres freien Arbeitens wird. 

Larissa Tomassetti hat ein Symbol gesucht, dessen Bedeutung sich erst nach und nach in der gesamten Dimension auftat. Die Wichtigkeit, die dieses starke Symbol im Leben der Künstlerin spielt, veranschaulicht auch ihre Visitenkarte, auf der der rote Punkt im Auge der Künstlerin zu finden ist.  

 

Translation by Isabel Niespor 2018 

 

When you think about Larissa Tomassetti’s work, a whole new universe opens up to you. She doesn’t deal with one topic at a time, instead she has several sequences running parallel to each other, of which some of them interact with one another. The philosophical approach of the French Existentialism is the common theme, on which all of her work is based on. The existential question of „being“ and „consistency“ are approached by her daily drawings. The critical analysis of the topic is visually underlined by the reappearing red dot in all of her work. Due to its multifunctional transformation, from a small detail to the main theme in a picture, it has a strong symbolic value. Larissa Tomassetti combines this with the colour red which is very powerful and controversial at the same time. Red is dynamic, strong, male and female at once. With the visual statement of the red dot, the artist wants to filter and question the apparent reality. She always tries to answer the question of existence rather than following a narrative storyline. Larissa Tomassetti tries to express this question through the most fitting techniques and visual forms. Some of her artworks were created throughout a complex process of various different steps i.e. „RP photograms“, 1999. Here she uses woodcuts printed onto glass plates. These prints are turned into photograms later, which remind the observer of analogue photography due to its blurriness. The red dot plays an important role as a visual statement in this work as well. The artist has quite a fascination for analogue photography because of its positive and negative aspects. Out of nowhere something appears on white paper, this time in black. 

There are series about both, the white and the black ‚nothing‘ and in-between lies the ‚existence‘. When does something appear to be existent? The different degrees that it takes to develop a picture in analogue photography show this process and the consideration behind this idea very well. In „RP diary“, since 1990, we find various different graphic techniques to capture the idea of a red dot. 

The red dot is there from the beginning on and positioned just out of the centre. The rest of the composition is carefully placed around the dot. In „RP diary“ the artist sets herself a framework for her creativity, which she uses to experiment within it. This kind of frame or boundary shows a broad spectrum in her „RP Series“. In this series she plays with changing opposites like positive and negative, abstract and objective, fine art and graphic design, in a smooth and fluent transition. We can also see this in various other works like „RP cocoon6“ 2015 and „RP cocoon“ 2016, the second one of which has a very picturesque and three-dimensional take on the topic. 

Larissa Tomassetti has always had future plans to take her two-dimensional art work into a three-dimensional room concept. „PR circle“, 2016 is one of her installations. The circle shows to opposite sides of which one side is light, with organized graphic elements and the other side is darker with painted and more chaotic features. Both sides are connected through a thread. „RP bigPink“ 2017 and „Where is the RP“ 2018, both show characteristics of installations due to their third dimension. „RP a/notte/fonda“ 2017 is a very personal piece of work, which shows a red three-dimensional ball with added traces by the artist and her ancestors. The most exciting installation in Tomasetti’s „RP series“ are her live performances „RP action“ 2015; „RP live” 2016 and 2017. Underlined by her philosophical studies she uses the colour grey with a calm background sound, the color red as a more dynamic expression and the color black stands for the „being“ itself in her performances. In this work the artist throws her physical and mental self into the middle of the image space and turns it into the stage of her work. 

Larissa Tomassetti was looking for a symbol, which slowly and gradually unfolds its whole dimension and meaning. The importance of this symbol is also shown on the artist’s business card where you can find the red dot inside of her eye.  

 

 

 

In the RedPoint-series you can feel anoverwhelming force, the violence of life in its most original form. (LT)